Die Bedeutung von Betalesern ist eine Frage, die jeder Autor und jede Autorin für sich individuell bewerten muss. Schließlich gibt es verschiedene Herangehensweisen und Erwartungen an den Schreibprozess, und diese können stark variieren. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus sehe ich Betaleser jedoch als essenziellen Bestandteil bei der Erstellung eines Manuskripts. Ihr Feedback, das sowohl kritisch als auch konstruktiv sein kann, liefert mir oft wertvolle Impulse und eröffnet neue Sichtweisen, die mir als Autor möglicherweise entgangen wären. Durch diesen frischen Blick werden Schwächen oder Unstimmigkeiten aufgedeckt, die ich selbst nicht bemerkt habe, sodass die Qualität der Geschichte deutlich verbessert wird. Aus diesem Grund möchte ich auf Betaleser nicht verzichten. Ihre Unterstützung trägt entscheidend dazu bei, meine Werke zu verbessern und stärker an die Erwartungen der Zielgruppe anzupassen.
Warum ist das so?
In meinem Kopf entsteht jede Geschichte zunächst als eine lebendige und detailreiche Szenerie. Sie ist voll von Farben, Stimmen, und dynamischen Elementen, die sich wie ein Film vor meinem inneren Auge abspielen. Erst im nächsten Schritt verwandele ich diese impressionistischen Bilder und in Worte, um meine Gedanken für andere greifbar zu machen. Wenn ich später den entstandenen Text prüfe, kann es vorkommen, dass ich eher das lese, was meiner inneren Vorstellung entspricht – nicht unbedingt das, was tatsächlich geschrieben wurde. Dieses Phänomen tritt besonders dann auf, wenn ich einen Satz ein oder mehrmals überarbeitet habe. Dadurch schleichen sich mitunter erhebliche Ungenauigkeiten ein − nicht aus mangelndem Können, sondern schlichtweg durch eine natürliche Begrenzung der eigenen Wahrnehmung. Mein Verstand neigt dazu, unbewusst Lücken zu schließen oder kleine Unstimmigkeiten eigenständig zu glätten. Genau an dieser Stelle wird die Hilfe von Betalesern besonders wertvoll: Sie bieten eine frische Perspektive und helfen mir dabei, solche blinden Flecken aufzudecken, die ich selbst nicht mehr wahrnehme. Ihre Rückmeldung ist ein entscheidender Baustein, um die Qualität meiner Texte kontinuierlich zu verbessern und auch versteckte Schwächen ans Licht zu bringen.
Bevor ich näher darauf eingehe, welche Punkte ein Betaleser beim Korrekturlesen besonders beachten sollte, erscheint es mir sinnvoll, zunächst den Begriff „Betaleser“ zu erklären.
Ein Betaleser, oftmals auch als Gegenleser bezeichnet, ist eine Person, die sich der Aufgabe widmet, literarische oder andere schriftliche Werke aufmerksam zu lesen. Ziel dabei ist es, Inhalte gezielt zu überprüfen und Rückmeldung zu geben, wobei Aspekte wie Logik, Stil, Rechtschreibung und die Struktur der Handlung im Fokus stehen.
Die Entscheidung, wem eine Autorin oder ein Autor das eigene Werk zum Gegenlesen anvertraut, liegt vollständig bei der jeweiligen Person. Im Gegensatz zu einigen Autorenkollegen bin ich der festen Überzeugung, dass bestimmte Personengruppen als Betaleser eher ungeeignet sind. Mehr noch: Es könnte potenzielle Nachteile mitbringen, was zur Verzerrung eines objektiven Feedbacks führen kann.
Aus meiner Sicht zählen insbesondere folgende Personengruppen dazu:
- Beste Freundinnen und Freunde, da ihre emotionale Verbundenheit oft dazu führt, dass sie ehrliche Kritik umgehen oder sich übermäßig zurückhalten
- Geschwister, deren familiäre Nähe ähnliche Herausforderungen birgt wie die der genannten Freunde
- Eltern, Großeltern und andere nahestehende Familienmitglieder, da diese häufig – bewusst oder unbewusst – dazu neigen, Kritik zu mildern oder den Text vorschnell in Schutz zu nehmen
Warum ist das wichtig?
Oft besteht die Gefahr, dass Rückmeldungen im Freundes- oder Bekanntenkreis darauf abzielen, den Autor oder die Autorin nicht zu verletzen. Kommentare wie „super“, „liest sich toll“ oder „hat mir gut gefallen“ mögen zwar angenehm klingen, spiegeln aber häufig nicht die ehrliche oder detaillierte Meinung des Gegenlesers wider. Wenn die Rückmeldung nicht authentisch ist, bleibt der Autor oder die Autorin im Unklaren darüber, was möglicherweise nicht stimmig ist oder wo Verbesserungspotenzial liegt. Ohne dieses constructive Feedback fehlt die Chance zur Weiterentwicklung.
Im Laufe meiner Jahre als Schriftsteller habe ich auf diesem Gebiet einige Erfahrungen gesammelt – teilweise auch bitteres Lehrgeld gezahlt. Von Bekannten, die nicht ehrlich ihre Meinung geäußert haben und im Nachhinein alles besser wussten, bis hin zu einer Kollegin, die meine Schreibideen kopiert hat (ob bewusst oder nicht, kann ich nicht beurteilen), war alles dabei. Diese Erfahrungen haben meinen Blick geschärft und mich dazu gebracht, ständig nach den idealen Betalesern zu suchen. Aktuell besteht mein Team aus drei Personen. Nach entsprechender Absprache lasse ich ihnen in unregelmäßigen Abständen fertiggestellte Kapitel zukommen, damit ich von ihrer neutralen Perspektive profitieren kann.
Worauf sollten meine Betaleser ihren Fokus legen?
- Logik der Handlung
- Spannung und Dramaturgie
- Erzählstil und stilistische Einheitlichkeit
- Lesefluss und Verständlichkeit
- Vermeidung von Wiederholungen oder überflüssigen Informationen
- Aspekte, die gut gefallen
- Elemente, die weniger überzeugend sind
Gerne können auch Rechtschreib- und Grammatikfehler angemerkt werden.
Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, die Zeit und Unterstützung meiner Betaleser mit einer angemessenen Wertschätzung zu honorieren. Schließlich haben sie ihre Zeit investiert, um meine Arbeit zu unterstützen.
Welche Möglichkeiten des Dankes biete ich an?
- 1. Eine Erwähnung im Buch unter der Rubrik „Danksagung“
- 2. Ein signiertes Exemplar des Buches (nach erfolgter Verlagssuche und Veröffentlichung)
- 3. oder auch beides
Wichtiger Hinweis!
Betaleser übernehmen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Manuskripts, sie können jedoch ein professionelles Lektorat oder Korrektorat nicht ersetzen.
© Katy Buchholz
Mich würde interessieren, welche Erfahrung Sie als Autor/in mit Betaleser, oder Betaleser mit Autor/innen gemacht haben.
Ich bin wie immer auf Ihre Antworten gespannt.
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Zinskraft (Mittwoch, 05 April 2017 21:27)
Hallo Katy,
bei mir wird jeder Blogartikel von meiner Frau gegengelesen. Sie ist da ziemlich streng und hat keine Hemmungen Kritik zu üben ;) Sie achtet akribisch auf Rechtschreibung, Grammatik und Wiederholungen. Der Lesefluss ist ihr auch sehr wichtig, weil man in der heutigen Zeit bei all der Informationsflut unbedingt darauf achten sollte, dass der Artikel extrem schnell gelesen werden kann.
Dass meine Frau die Artikel liest hat mehrere Vorteile: Zum einen, dass sie es ohne Gegenleistung macht und der noch viel wichtigere Punkt: Indem sie die Artikel Korrektur liest, zugleich immer auf dem Laufenden ist, was ich so schreibe und uns damit der Blog verbindet. So ist der Blog ein bisschen unser gemeinsames Projekt geworden ist.
Liebe Grüße
Martin
Katy (Donnerstag, 06 April 2017 09:01)
Hallo Martin,
ich finde es super, dass 2 Menschen, die sich sehr nahe stehen, auch wirklich ehrlich miteinander umgehen. So sollte es immer sein, ist es aber leider nicht.
Ich freue mich für Sie und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg mit Ihrem Blog.
Liebe Grüße
Katy
Anke (Donnerstag, 06 Juni 2019 20:45)
Hallo Katy,
habe fest gestellt das man wirklich einen Betaleser brauch. Und ich habe einen super Betaleser! Sehr streng aber so finde ich es gut und man kann draus lernen ...Danke!
Katy (Samstag, 08 Juni 2019 08:43)
Hallo Anke,
ich freue mich für dich und wünsche dir viel Erfolg mit deinem Buchprojekt.
Liebe Grüße
Katy
Diana (Dienstag, 11 August 2020 15:50)
Hallo Katy,
ich finde deinen Beitrag toll. Meine Frage ist, wie finde ich Betaleser? Vor allem welche, die dann auch Kritik abgeben und nicht nur einfach ein Buch lesen möchten.
Vielen Dank und liebe Grüße,
Diana
Katy (Dienstag, 11 August 2020 17:32)
Hallo Diana,
ich freue mich, dass dir mein Artikel gefällt. Ja, ich gebe zu, es ist nicht einfach, die richtigen Betaleser zu finden. Auch ich habe (gerade vor kurzen wieder) eine Betaleserin aus meiner Liste gestrichen.
Testleser findest du:
* in Online-Schreibforen
* in speziellen Testleser-Facebook-Gruppen
* in sozialen Medien allgemein
Wichtig!
Wenn du einen Aufruf machst, dann gebe Vorabinformationen, wie zum Beispiel:
* Genre
* Eine kleine Zusammenfassung, ohne zu viel zu verraten wäre sinnvoll. So kann der Leser abschätzen, ob das Thema für ihn interessant ist. 3-5 Sätze sollten da reichen. Es wäre quasi ein Kurzexposè.
* Ich sage z.B., was ich von den Lesern erwarte und auch, was ich im Gegenzug dafür biete.
Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen. Wenn du noch mehr fargen hast, dann melde dich einfach wieder ;0)
Ich wünsche dir für dein Buchprojekt viel Erfolg.
Herzliche Grüße
Katy